Geschichte

Pankahyttn kommt!

In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre etablieren Punks auf der Wiener Mariahilferstraße einen Straßentreffpunkt. Solche Treffpunkte erfüllen für uns wichtige Funktionen. Sie fungieren als soziale Anlauf-, Kommunikations- und Informationsstelle und zur Präsentation des grundsätzlichen gesellschaftlichen Gegenstandpunktes der Bewegung.

Durch die sich in den neunziger immer weiter verschärfende Wohnsituation kommt es zu erhöhter Wohnungs- und Obdachlosigkeit - auch innerhalb der Szene. Die aufkommende Forderung nach einem selbstverwalteten Punkerhaus bringt ein paar Hausbesetzungen und 5 Jahre ergebnislose Gespräche auf Bezirksebene.

2004 verkauft die KPÖ das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) an einen früheren Unterstützer der verbotenen rechtsextremen Aktion neue Rechte (ANR). Die Kündigung der Verträge der NutzerInnen führt zu einer breiten und kraftvollen Protestbewegung für den Erhalt des EKH. Um eine Eskalation zu verhindern kauft die Gemeinde schließlich das Gebäude.

Durch die gemeinsam mit dem EKH und anderen Gruppen durchgeführte kurzfristige Protestbesetzung der SP-Zentrale in der Löwelstraße und der am 1. Juli 2005 nachfolgenden Besetzung von Teilbereichen des EKH, gelingt es uns, auf Gemeindeebene Verhandlungen um die Verwirklichung der Pankahyttn aufzunehmen.

Konkret fordert die nunmehrige Initiative Pankahyttn einen unbefristeten Hauptmietvertrag auf Betriebskostenbasis für ein Haus in Gemeindeeigentum mit Wohnbereich für 50 Panx mit 25 Hunden und Veranstaltungsbereich bzw. –keller. Die Pankahyttn soll ein selbstorganisiertes, unkommerzielles Wohn-, Kultur- und Sozialprojekt von, mit und für Punx werden, in dem wir nach unseren Vorstellungen leben können.

Die Verhandlungen verlaufen anfangs überraschend konstruktiv. Im Mai 2006 wird eine erste Zielvereinbarung getroffen, der zufolge uns für Herbst Objekt- und Vertragsklarheit in Aussicht gestellt wird. Die GemeindevertreterInnen versichern uns standhaft, dass der politische Wille zur Umsetzung des Projekts gegeben wäre, aber kein geeignetes Objekt vorhanden sei. Uns hingegen ist klar, dass es für die Stadt Wien überhaupt kein Problem sein kann, ein geeignetes Haus bereitzustellen. Also erwarten wir, dass sie ihre soziale und politische Verantwortung wahrnimmt und ihre Versprechen einlöst.

Genug vom Bitt´n

Her die Hyttn!

Da von Objekt- oder Vertragsklarheit Mitte September noch immer keine Rede sein kann, beginnen AktivistInnen, friedlich und gewaltlos Protestaktionen, unter anderem Hausbesetzungen, durchzuführen. Seit über zehn Jahren ist es übliche Polizeipraxis, Hausbesetzungen mit sofortiger Räumung zu begegnen. Um das Risiko von polizeilichen Übergriffen, Verhaftungen und andere Unterdrückungsmaßnahmen zu verringern, entschließen wir uns, Verhandlungslösungen mit GemeindevertreterInnen, EigentümerInnen und Polizei anzustreben. Unser Umfeld  reagiert darauf mit Verwunderung bis hin zur offenen Ablehnung.

Wir sehen Hausbesetzungen nicht nur als Protestform, sondern auch als Mittel im Kampf gegen die gewaltsame Zerstörung lebensnotwendigen Wohnraums durch Spekulation.

Es ist eine bodenlose Frechheit, dass Menschen aufgrund ihres Bedürfnisses zu wohnen durch Mieten ausgebeutet werden. Denn wohnen müssen Alle und der Platz dafür ist begrenzt. Um das Leben wieder leistbar zu machen, fordern wir mietfreies Wohnen – d.h. unbefristete Hauptmietverträge auf Betriebskostenbasis – für Alle!

Herbst 2006 werden Häuser in der Quellenstraße und in der Burggasse sowie das Haus Ecke Gumpendorferstraße/Gürtel mehr oder weniger erfolgreich besetzt. Die Aktionen dauern jeweils nur ein paar Stunden an, aber immerhin erreichen wir, dass die HauseigentümerInnen gefragt werden, ob sie einen weiteren Verbleib im Haus dulden. Bei der Besetzung Gumpendorferstraße lassen sich SP-Mediator Peter Florianschütz und die Mariahilfer Bezirksvorsteherin Renate Kaufmann solidarisch mit uns aus dem Haus räumen.

Neben der Unterstützung des 6. Bezirkes gibt es zu dieser Zeit bereits Zusagen anderer Bezirksvorstehungen, die die Verwirklichung einer Pankahyttn in ihrem Bezirk unterstützen.

Zu unserer Überraschung endet die Unterstützung bei den grün regierten Bezirken Neubau und Josefstadt. Daher besuchen, d.h. besetzen wir im November die Grüne Landesparteizentrale in der Lindengasse, um die Grünen „auf Linie“ zu bringen. In der folgenden gemeinsamen Pressekonferenz fordern die Grünen die Stadt Wien auf, die Pankahyttn zu verwirklichen – wenn nötig auch in einem grünen Bezirk.

Es folgen die Besetzungen der früheren Allgemeinen Poliklinik und des ehemaligen Storchentempels in der Storchengasse. Hier gelingt uns eine Verhandlungslösung mit Polizei und GemeindevertreterInnen, die einen Verbleib über Nacht ermöglicht. Weiters wird ein Haus in der Neilreichgasse besetzt.

Februar 2007 schließen wir einen konkreten Zielvertrag mit der Gemeinde ab, in dem uns Vertragsklarheit für Juni und Objektklarheit für September zugesichert werden. Um diesen Prozess zu beschleunigen wird Ende März ein stadtbekanntes Spekulationsobjekt in der Sigmundsgasse besetzt, Mitte Mai die ehemalige Rettungszentrale Hernals und unmittelbar darauf ein leer stehendes Studierendenheim in der Alserstraße.

Am 26. Mai besetzen wir ein Abbruchhaus in der Gaullachergasse. In Verhandlungen erreichen wir eine Gratislieferung Pizza und den Verbleib im Haus bis 4. Juni. Der lange Verbleib im Haus ermöglicht es uns dort unter anderem ein Konzert zu veranstalten. Im September leisten wir beim „Sturm auf Stenzelland“ unseren Beitrag zur Stadtteilabwertung. Im Rahmen dieser Aktion machen mehrere Gruppen in der Inneren Stadt auf ihre Anliegen und auf verschiedene gesellschaftliche Missstände aufmerksam. Als Auftakt besetzen wir zwei Tage davor das ehemalige AMS in der Weihburggasse.

Ende Oktober verwirft die Gegenseite plötzlich die schon fertig vorbereiteten Vertragsentwürfe – das Resultat von zweieinhalb Jahren Arbeit. Statt des vereinbarten Hauptmietvertrags für den Verein Pankahyttn verlangt der nunmehrige Hausbesitzer in spe, der Fonds soziales Wien (FSW), plötzlich einzelne Nutzungsvereinbarungen mit den BewohnerInnen. Im Haus, das keinesfalls als Pankahyttn bekannt werden darf, dürfen keine Veranstaltungen stattfinden und wir werden rund um die Uhr von SozialarbeiterInnen bewacht. Am 29. Oktober werden wir, gleich nach der Kronenzeitung, von der tatsächlichen Existenz eines für uns vorgesehenen Objektes in Kenntnis gesetzt. In der nächsten Gesprächsrunde können wir einen Kompromiss erreichen, sodass die Pankahyttn weitestgehend in der ursprünglich ausgehandelten Form umsetzbar bleibt.

PANKAHYTTN IST …

Am 15. Dezember 2007 ist es soweit, wir ziehen ohne Verträge zu unterzeichnen in das Haus Johnstraße 45 ein und reden weiter. Wir kontrollieren und organisieren unsere Bereiche, zu denen die SozialarbeiterInnen keinen Zutritt haben. Die Sanierung von Haus und Halle erfolgt nichts desto trotz in Zusammenarbeit mit dem FSW.

Die Vertragsverhandlungen gehen in die Endrunde. Für uns ist die Grenze klar: die Pankahyttn ist ein selbstorganisiertes, unkommerzielles Wohn-, Kultur- und Sozialprojekt von, mit und für Punks, in dem wir weiterhin nach unseren Vorstellungen leben werden. Am 24. Juli 2009 werden die Verträge unterzeichnet. Ab jetzt kommen wir für die Kosten der von uns genutzten Räumlichkeiten auf. Auch wenn wir damit die Besetzung des Hauses beenden, fordern wir weiterhin den unbefristeten Hauptmietvertrag auf Betriebskostenbasis für den Verein Pankahyttn.

Mietfreies Wohnen für Alle!