Geschichte

 
Pankahyttn kommt!

In den 1990er Jahren etablieren Punks auf der Wiener Mariahilferstraße einen Straßentreffpunkt. Die sich immer weiter verschärfende Wohnsituation führt zu erhöhter Wohnungs- und Obdachlosigkeit – auch innerhalb der Szene. Aufkommende Forderungen nach einem selbstverwalteten Punkerhaus bringen ein paar Hausbesetzungen und 5 Jahre ergebnislose Gespräche auf Bezirksebene.

Durch die gemeinsam mit dem EKH(*) und anderen Gruppen durchgeführte Besetzung der SP-Zentrale in der Löwelstraße und der solidarischen Besetzung von Teilbereichen des EKH, gelingt es uns 2005, auf Gemeindeebene Verhandlungen um die Verwirklichung der Pankahyttn aufzunehmen. Konkret fordert die nunmehrige Initiative Pankahyttn einen unbefristeten Hauptmietvertrag auf Betriebskostenbasis für ein Haus in Gemeindeeigentum mit Wohnbereich für 50 Panx mit 25 Hunden und Veranstaltungsbereich bzw. –keller. Die Pankahyttn soll ein selbstorganisiertes, unkommerzielles Wohn-, Kultur- und Sozialprojekt von, mit und für Punx werden, in dem wir nach unseren Vorstellungen leben können.

Die Verhandlungen mit dem Magistrat verlaufen anfangs überraschend konstruktiv. Im Mai 2006 wird eine erste Zielvereinbarung getroffen, der zufolge uns für Herbst Objekt- und Vertragsklarheit in Aussicht gestellt wird. Die GemeindevertreterInnen versichern uns, dass der politische Wille zur Umsetzung des Projekts gegeben wäre, aber kein geeignetes Objekt vorhanden sei. Uns hingegen ist klar, dass es für die Stadt Wien überhaupt kein Problem sein kann, ein geeignetes Haus bereitzustellen.

 
Genug vom Bitt´n! Her die Hyttn!

Da von Objekt- oder Vertragsklarheit Mitte September noch immer keine Rede sein kann, beginnen AktivistInnen, Protestaktionen, unter anderem Hausbesetzungen, durchzuführen. Friedlich und gewaltlos. Seit über zehn Jahren ist es üblich, Hausbesetzungen mit sofortiger Räumung zu begegnen. Um das Risiko polizeilicher Übergriffe, Verhaftungen und anderer Unterdrückungsmaßnahmen zu verringern, entschließen wir uns, Verhandlungslösungen mit Gemeindevertreter*innen, Eigentümer*innen und Polizei anzustreben. Unser Umfeld reagiert darauf mit Verwunderung bis hin zur offenen Ablehnung.

Herbst 2006 werden Häuser in der Quellenstraße und in der Burggasse sowie das Haus Ecke Gumpendorferstraße/Gürtel besetzt. Zu dieser Zeit gibt es Zusagen etlicher Bezirksvorstehungen, die Verwirklichung einer Pankahyttn in ihrem Bezirk zu unterstützen. Zu unserer Überraschung endet die Unterstützung bei den grün regierten Bezirken Neubau und Josefstadt. Daher besuchen, d.h. besetzen wir die Grüne Landesparteizentrale in der Lindengasse, um die Grünen „auf Linie“ zu bringen. In der folgenden gemeinsamen Pressekonferenz fordern die Grünen die Stadt Wien auf, die Pankahyttn zu verwirklichen – wenn nötig auch in einem grünen Bezirk.

Es folgen die Besetzungen der früheren „Allgemeinen Poliklinik“ und des ehemaligen Storchentempels in der Storchengasse. Anfang 2007 besetzen wir ein Haus in der Neilreichgasse, Ende März ein stadtbekanntes Spekulationsobjekt in der Sigmundsgasse, Mitte Mai die ehemalige Rettungszentrale Hernals und unmittelbar darauf ein leer stehendes Studierendenheim in der Alserstraße. Ende Mai kommt ein Abbruchhaus in der Gaullachergasse dran. In Verhandlungen erreichen wir den Verbleib im Haus bis 4. Juni. Die paar Tage im Haus ermöglichen es uns dort unter anderem ein Konzert zu veranstalten. Als Auftakt zu den Aktionstagen „Sturm auf Stenzelland“ besetzen wir das ehemalige AMS in der Weihburggasse. Im Rahmen dieser Aktion machen mehrere Gruppen in der Inneren Stadt auf ihre Anliegen und auf verschiedene gesellschaftliche Missstände aufmerksam.

Oktober 2007 verwirft die Gemeinde – plötzlich vertreten durch den Fonds Soziales Wien (FSW) – die schon fertig vorbereiteten Vertragsentwürfe. Gleich darauf erfahren wir von der Existenz eines für uns vorgesehenen Objektes. Unser Entschluss: Wir nehmen das Haus und reden dann weiter.

 
Pankahyttn ist …

Am 15. Dezember 2007 ziehen wir ohne Verträge zu unterzeichnen in das Haus Johnstraße 45 ein. Die Gemeinde versucht, im Haus ein Obdachlosenheim einzurichten. Sie will keine Pankahyttn, keine Veranstaltungen, keine Transparente und am besten nichts, was auffallen könnte. In dieser Zeit werden wir rund um die Uhr von Sozialarbeiter*innen und manchmal auch von Securities bewacht. Wir bringen unsere Bereiche unter Kontrolle und organisieren sie. Die Sozialarbeiter*innen haben keinen Zutritt. Am 1.5.2008 besetzen wir die als sozialarbeiterische Anlaufstelle vorgesehene Eisdiele. Die Sanierung von Haus und Halle erfolgt nichts desto trotz in Zusammenarbeit mit dem FSW. Für uns ist die Grenze klar: die Pankahyttn ist ein selbstorganisiertes, unkommerzielles Wohn-, Kultur- und Sozialprojekt von, mit und für Punks, in dem wir nach unseren Vorstellungen leben. Nach jahrelangen Verhandlungen unterzeichnen wir Sommer 2009 Verträge.

 
Chronologie

September 06: PunxPicnic, Scheinbesetzung Neilreichg. 13
14.9.06: Hausbesetzung Quellenstraße 165
Oktober 06: Hausbesetzung Burggasse 2
29.10.06: Hausbesetzung Gumpendorferstraße/Gürtel
22.11.06: „Besuch“ der Grünen Landesparteizentrale
20.12.06: Hausbesetzung ehem. „Allgemeine Poliklinik“, Mariannengasse 10
20.-21.12.06: Hausbesetzung ehem. „Storchentempel“, Storchengasse 21
25.1.07: Besuch der Gebietsbetreuung
23.2.07: Hausbesetzung Neilreichgasse 13
22.-23.3.07: Hausbesetzung Sigmundsgasse 5
16.-18.5.07: Hausbesetzung ehem. Rettungszentrale Hernals der Gemeinde Wien, Lidlgasse 7
18.5.07: Hausbesetzung ehem. Studierendenheim und zukünftige Luxusprivatklinik, Alser Straße 33
26.5-4.6.07: Hausbesetzung Gaullachergasse 25
19.9.07: Hausbesetzung ehemaliges AMS, Weihburggasse 30
21.09.07: „Sturm auf Stenzelland“, Wien, Innere Stadt
15.12.07: Bezug und Besetzung des Hauses Johnstrasse 45
1.5.08: Besetzung der „Eisdiele“, Johnstrasse 45
24.7.09: Vertragsunterzeichnung

 
solidarische Grüsse an Alle!

*) das 1990 besetzte „Ernst-Kirchweger-Haus“ (EKH) in Favoriten wird 2004 von der Kommunistischen Partei (KPÖ) an einen früheren Unterstützer der verbotenen rechtsextremen „Aktion neue Rechte“ (ANR) verkauft. Die Kündigung der Verträge der Nutzer*innen führt zu einer breiten und kraftvollen Protestbewegung für den Erhalt des EKH. Um eine Eskalation zu verhindern, kauft die Gemeinde schließlich das Gebäude.